Kuba versöhnt sich mit Mexiko und der EU

Entwicklungshilfe läuft wieder an / Einladung an Felipe Calderón
Von Leo Burghardt, Havanna, ND vom 25.10.2008
Die EU und Kuba haben nach fünfjähriger Pause ihre Zusammenarbeit wieder aufgenommen. Die EU will 25 Millionen Euro für Entwicklungsprojekte bereitstellen.

Louis Michel ist ein Diplomat vom Scheitel bis zur Sohle, der geeignete Mann, um die Wiederannäherung der Europäischen Union an Kuba bis hin zur Normalisierung voranzutreiben. Der EU-Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe ist einer der wenigen Bürokraten Brüssels, der Kuba wirklich kennt, seine Stärken und Schwächen, der die Probleme ohne Vorurteile und Fanatismus angeht und vor allem auch während der vergangenen frostigen Jahre seine Kontakte zu Havanna aufrechterhielt, während seine Kollegen vergessen oder nie davon gehört hatten, dass Wandel durch Annäherung eher zu erreichen ist als durch absurden Boykott. Michel weiß, dass es hier Tabus gibt, die um keinen Preis zu kippen sind. Erstens: Man kann über alles verhandeln, aber ohne Vorbedingungen. Zweitens: Wer mit dem Erzfeind Washington gemeinsame Sache macht, die sogenannten Dissidenten also, hat keine Chance, von kubanischer Seite als relevanter Verhandlungsgegenstand anerkannt zu werden.

So stand einem Erfolg des zweitägigen Michel-Besuchs in Kuba nichts im Weg. Nach Angaben der EU-Kommission stellte Michel 25 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt für Projekte in den Bereichen Umwelt, Technologie, Handel, Kultur und Katastrophenschutz in Aussicht. Dies geht aus einer Erklärung hervor, die Michel am Donnerstag bei seinem Besuch in Havanna unterzeichnete.

»Das ist ein Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Kuba und der Europäischen Union«, wurde Michel zitiert. »Ich bin sehr froh, dass wir in dieser gemeinsamen Erklärung den Rahmen für unsere künftige Zusammenarbeit abgesteckt haben.« Eine erste Geste sei die europäische Hilfe für Kuba nach den Hurrikans, die das Land im September verwüstet hatten.

Nicht nur mit der EU befindet sich die Karibikinsel wieder auf dem Kurs der Versöhnung. Auch Kuba und Mexiko sind endlich soweit, dass sie die gravierenden Diskrepanzen, mit denen der frühere mexikanische Präsident und Bush-Intimus Vicente Fox die hundertjährigen guten bis sehr guten Beziehungen der beiden Staaten bis dicht an den Abgrund getrieben hatte, begraben können.

Es waren finstere Ränke, die von Mexiko aus gesponnen wurden. Lügen, Verleumdungen, Behinderung der Arbeit des kubanischen Botschaftspersonals, die Foxens erster Außenminister Jorge Castañeda, der vom Links- bis zum Rechtsaußen alles schon mal probiert hatte, einfädelte, bis er nach ein paar Monaten über seine Intrigen stolperte und von der offiziellen politischen Bühne abberufen wurde. Seine Nachfolger trieben es nicht so arg, aber Kuba war tief gekränkt, zumal es in zwei Fällen fälschlicherweise der Lüge bezichtigt wurde, und das ist hier eine unverzeihliche Ehrabschneidung. Aber es kommt offenbar alles wieder ins Lot. Außenminister Felipe Pérez Roque wird dem mexikanischen Präsidenten eine Einladung zum Kuba-Besuch überbringen und Felipe Calderón hat bereits angedeutet, dass er sich 2009 nach Havanna aufmachen wird.

Aber all das, ebenso die Einweihung einer orthodoxen Kathedrale im hauptstädtischen Stadtteil Regla, wird nach wie vor auf die hinteren Plätze der kubanischen Medien gesetzt. Ganz vorn bleibt die schnellstmögliche Beseitigung der immensen Schäden, die die beiden Hurrikans »Gustav« und »Ike« Ende August und am 9. September angerichtet haben. In Kuba musste bisher kein Notstand ausgerufen werden. Es sind bisher auch keine Epidemien aufgetreten. 80 000 Sanitäter und Mediziner sind ständig auf Achse. 99,8 Prozent der 13 185 Schulen, von denen 5400 mit ihrem Inventar schwer beschädigt wurden, funktionieren wieder. Die Nickelindustrie hat ihren Betrieb, wenn auch nicht hundertprozentig, wieder aufgenommen. Für 16 lebensnotwendige Produkte wurden Festpreise bestimmt. 85 Schwarzhändler und Wucherer bekamen es hart mit der Justiz zu tun. Es wird gegraben, gepflügt, gesät, entwässert, gebaut, repariert wie nie zuvor. Vor allem werden schnell heranwachsende Gemüse- und Knollenfrüchte in den Boden gebracht. Eine Hungersnot drohe nicht, versichert die Parteizeitung »Granma«. Solidaritätsspenden kommen aus aller Welt. Aber Schäden in Höhe von mindestens fünf Milliarden Dollar sind für ein Land wie Kuba nicht von heute auf morgen und nicht mal in einem Jahr zu beheben. Es gibt kleine Regionen, die noch immer ohne Strom und Telefon sind, und tausende Menschen, die in Nothütten leben. Und das Essen? Tausende Hektar Bananen, Reis und Bohnen (Grundnahrungsmittel) sind nicht mehr zu retten, ebenso wenig 500 000 Legehennen und 50 000 Tonnen sorgfältig gelagerte Fertiglebensmittel, trotz aller Präventivmaßnahmen. Ein Drama! Was Venezuelas Präsident Hugo Chávez tut, wird nicht publik gemacht, es dürfte viel sein.

Autor: Kapelle Gigs

Liedermacher- und Sänger Kulturarbeiter Soli Arbeiter

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